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Ilse HAIDER
"Neues Altes"
Ausstellung 22.11.2012 bis
12.01.2013
Thomas Mann / Silverprint auf Peddigrohr / 2012 / 60x67x89 cm
Nobel Foundation, Caption: Thomas Mann, Nobelpreisträger für Literatur 1929
„Neues Altes“
Ausgehend von ihren dreidimensionalen Foto-Portraits setzt Ilse Haider ihre
erweiterte Auseinandersetzung mit Künstlerbiographien und ihren historischen
Kontexten fort. Diesmal ist Thomas Mann der zentrale Punkt, von dem aus sie
einen Bilderbogen rund um den Schriftsteller spannt.
Über Bezüge zu anderen Künstlern und den historischen Kontext greift Haider
einzelne Punkte aus Manns Leben auf, interpretiert es gleichsam als eine Art
biografisches Referenzsystem.
Den geschichtlichen Hintergrund stellt sie durch eine Installation mit
Abbildungen von fotografisch dokumentierten Medienereignissen dar: die
Verleihung des Nobelpreises mit der berühmten „Deutsche Ansprache“ 1930 in
Berlin; der erstmalige Besuch seiner Heimatstadt Lübeck nach dem Exil 1953
usw.
Bezüge zu anderen Künstlern ergeben sich auch aus Thomas Manns Werk: Luchino
Visconti hat Manns Novelle Tod in Venedig verfilmt und weltweit
bekannt gemacht. Dabei haben sowohl Mann als auch Visconti der Hauptfigur
Züge des Komponisten Gustav Mahler verliehen.
Thomas Mann schildert in dieser Novelle einen homoerotischen Konflikt, in
dem auch er sich persönlich wiederfindet, was man heute seinen Tagebüchern
entnehmen kann.
Mit dem erotischen Interesse thematisiert Ilse Haider eine Seite des Autors,
die den hehren Schriftsteller greifbar und menschlich macht. Unbelebte
Historie wird so gegenwärtig; das bekommt im Zusammenhang mit Ilse Haiders
dreidimensionalen Portraits seine besondere medienspezifische Bedeutung. Mit
ihrer Technik, Fotografien plastisch darzustellen, befreit sie das Medium
aus seiner melancholischen Erstarrung, weil sie das Abbild gleichsam von
seinem Träger löst und ihm noch einmal, für einen kurzen Moment
künstlerischer Rezeption, neues Leben einhaucht.
Damit schließt sie zwei gegenläufige Ansichten über Fotografie kurz, die im
fotografischen Bild einer Person nur einen Mangel, ein Fehlen dessen, was
eine Person ausmacht sehen oder im Gegenteil, in diesem vollkommen
unpersönlichen, äußerlichen Bild, das einzig wahrhafte Zeugnis. Bei Ilse
Haider ist das Foto die leere Hülle und zugleich Präsenz und lebendige
Geschichte. Die Kontextualisierung lädt die leeren Projektionsflächen
neuerlich auf und verleiht ihnen aktuelle Präsenz und Bedeutung.
Die Trauer um den Moment, den die Fotografie festhält und dessen Ende sie
zugleich bedeutet, hat ein Ende, weil Ilse Haider ihm in ihrer Kunst neues
Leben einhaucht.
Herbert
Schnepf
Familie Mann / Silverprint auf Peddigrohr und Toner / 2012 / 60x80 cm,
Copyright: IMAGNO/Austrian Archives, Caption:
Katharina Hedwig Mann, Frau des dt. Schriftsteller Thomas Mann, mit ihren
sechs Kindern. Photographie um 1925
Luchino Visconti / Silverprint auf Peddigrohr und Toner / 2012 / 135x90 cm
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